Text des Monats

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Die folgende Geschichte entstand im Rahmen einer Schreibwerkstatt in Köln zu einem Seerosenbild von Monet.

Sie wollen selber schreiben? Dann lassen Sie sich von der Schreibaufgabe inspirieren!

Zu dem Bild „Bergmodell“ von Edward Hopper, inbegriffen der Satz „Ich war sein einziges Modell, ein Leben lang.“

Bergmodell

„Wann haben Sie dieses Bild gemalt?“, fragte die Journalistin und wies den Fotografen an, es abzulichten.

Jo drehte sich zu ihr um, sie schien vor Energie zu sprühen, und die Journalistin machte einen Schritt rückwärts.

„1946, ich habe immer die Jahreszahl neben meinen Namen gesetzt, da, sehen Sie?“ Jo stach mit dem Finger in Richtung Bild und die Journalistin hatte die Fantasie, dass der Finger die Leinwand durchstieße. „Es war vier Jahre nach unserer Hochzeit“, sagte Jo und starrte auf das Bild. Sie schien etwas zur Ruhe zu kommen. „Wir waren auf dem Weg … weiß gar nicht mehr genau, von wo nach wo … aber es ist auch nicht wichtig. Auf jeden Fall sah ich dieses Motiv und bat Ed, anzuhalten.“

Der Fotograf entfernte sich. Sie hatten auf der Hinfahrt vereinbart, dass er so viele Bilder wie möglich fotografieren sollte. Bevor einer von den Hoppers es ihm verbieten würde. Die Journalistin lächelte Jo an und nickte.

„Und dann?“, fragte sie sacht.

Jo versank in der Erinnerung. Ihre so energischen Gesichtszüge entspannten sich und sie schien gedanklich in die Vergangenheit zu wandern:

„Es war warm, die Grillen zirpten, Vögel waren zu hören. Nur die Natur, sonst war es still. Mein Pinsel. Und Ed, der erst umherwanderte, sich dann aber seinen Skizzenblock holte und sich auf die Rücksitzbank des Autos setzte. Ich hörte seinen Stift auf dem Papier, und zu der Zeit war es ein Geräusch, das dazugehörte. Irgendwann fragte ich ihn, ‚Was zeichnest du da?‘, und er antwortete: ‚Ich zeichne dich.‘ – ‚Wie: nur mich? Von hinten?‘ – ‚Dich, dein Bild, das Auto, die Landschaft‘, antwortete er. Ich musste lachen. Ich malte mein Bild und wurde gemalt. Das hatte schon einen erotischen Beigeschmack, verstehen Sie?“

Jo sah die Journalistin an, die nickte. Aber Jo drehte den Kopf weg, und die Journalistin wusste, Jo hatte ihr das Verstehen nicht geglaubt. Mit Recht.

„Ich war sein einziges Modell, ein Leben lang. Und als ich sein Bild sah, wusste ich, er konnte Licht und Menschen und Landschaft – aber die Berge würden immer mir gehören.“

Eine Minute stand sie stumm, dann verabschiedete Jo mit energischen Bewegungen die Journalistin und ihren Fotografen. Ed hatte sich nicht blicken lassen.

(c) by Anne Haase Köln 2016